Freitag, 5. Dezember 2008

"Kampf gegen AIDS" Vom Stereotyp zum Feindbild

Das Unendliche, Grenzenlose, Nicht-Endende ist der direkten menschlichen Erfahrung unzugänglich. Es wird durch eine liegende Acht symbolisiert.


Achtmal bemühte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede beim Empfang anlässlich des 25. Jubiläums der Deutschen AIDS-Hilfe die Metapher des „Kampfes gegen AIDS“.


Frau Dr. Merkel ruft die Politik, die medizinische Forschung, die gesamte Zivilgesellschaft – und somit letztlich jeden Einzelnen in unserer Gesellschaft auf, sich in die "Phalanx gegen AIDS" einzureihen. Die Phalanx war eine im antiken Griechenland übliche Schlachtformation - eine dicht geschlossene, lineare Kampfformation schwer bewaffneter Infanterie mit mehreren Gliedern.


Mit diesen Worten möchte die Bundeskanzlerin erreichen, dass sich weniger Menschen infizieren und die Krankheit besiegt wird.


Es muss die Frage erlaubt sein, ob diese kriegsmetaphorische Ausdrucksweise der Sache respektive den Menschen mit HIV und AIDS gerecht wird.


Im folgenden deshalb eine kurze Schilderung der gegenwärtigen Situation in Deutschland aus Sicht der betroffenen Patienten:


Falsche Angst vor Ansteckung

Die Zeiten, in denen es noch Unklarheiten über mögliche Ansteckungswege gab, sind vorbei. Jedermann ist sich bewusst, wann er in Gefahr ist und wie er sich wirksam schützen kann.

Daher ist es unverständlich, dass noch im Jahr 2008 die Adressen von Zahnärzten, die Patienten mit einer HIV-Infektion ohne Vorbehalt behandeln, unter den Betroffenen als Geheimtipp gehandelt werden.


Ärztliche Beratung in Gefahr

Die Behandlung ist mit jedem Patienten individuell zu klären. Mögliche Nebenwirkungen und die Lebenssituation des Patienten müssen aufeinander abgestimmt werden.

Daraus ergibt sich ein hoher Aufwand an Beratungszeit. Im Gegensatz zu medizintechnischen Maßnahmen sind diese Gespräche nicht kostendeckend abzurechnen. Aus diesem Grund wurde eine Vereinbarung über eine Sonderziffer zur Abrechnung der Behandlung eingeführt.

In Anbetracht der Wettbewerbssituation, die sich für die Krankenkassen mit der Einführung des Gesundheitsfonds zum 1.1.2009 ergibt, wurde diese Vereinbarung von nahezu allen Krankenkassen für Patienten in Hamburg gekündigt.


Weltweite Einreisebeschränkungen

In mehr als 70 Ländern gelten Einreisebeschränkungen für Menschen mit HIV und Aids, 30 Länder weisen Positive aus. Zu den 30 Ländern, die Menschen alleine wegen ihrer HIV-Infektion kriminalisieren, gehören unter anderem: die russische Föderation, Saudi Arabien, China und die Vereinigten Staaten von Amerika. In Deutschland bestehen in Bayern immer noch Sonderregelungen.


Die genannten Beispiele aus Sicht der Betroffenen zeigen, dass neben der Reduzierung der Neuinfektionen auch die angemessene Versorgung und gesellschaftliche Integration von über 65.000 Menschen mit HIV und AIDS in Deutschland als gemeinsame Ziele zu setzen sind.


Das Motto des ersten Welt AIDS-Tages 1988 war "Schließt Euch den weltweiten Bemühungen an". Wünschenswert ist, sich heute erneut daran zu erinnern und nicht in Metaphern zu schwelgen, die einer Dämonisierung der Krankheit und damit auch der Kranken Vorschub leisten.


Die Infektion ist für den Betroffenen der Beginn einer endlosen Auseinandersetzung mit seiner Lebenssituation. Er sieht sich einer unüberschaubaren Anzahl von Bedrohungen ausgesetzt. Deshalb ist die grenzenlose Unterstützung durch die gesamte Gesellschaft absolut notwendig.

Dienstag, 18. November 2008

Es geht/rollt doch !

Ein kleiner Bericht im Lokalteil und dessen Folgen.

Im Eintrag vom 11.11.2008 wurde an dieser Stelle auf die drohende nicht barrierefreie Errichtung einer Fußgängerampel hingewiesen.
Über dieses lokale Ereignis wurde unter anderem bei Kobinet Nachrichten und dem ad-sinistram weblog berichtet.

Herr Omniczynski wurde in einer Email aufgefordert, sich für eine barrierefreie Absenkung des Bordsteins einzusetzen. In einem darauf folgenden längeren Telefonat mit Herrn Omniczynski konnten die unterschiedlichen Auffassungen über die Einschätzung der Problematik erörtert werden.

Am 17.11.2008 wurde die neue Ampel mit abgesenkten Bordstein in Betrieb genommen. Es handelt sich jetzt um eine Ausführung, die nach Angabe des Bauleiter im Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer absolut verkehrssicher ist.

Es ist nicht bekannt, inwieweit die Interventionen dieses Blogs zu der Entscheidung beigetragen haben. Aber am Ende zählt das Ergebnis.


Dienstag, 11. November 2008

Abyssus abyssum invocat

Ein begangener Fehler rechtfertigt den nächsten. Oder was passiert, wenn sich Bürgerinteressen der Kostenkalkulation unterordnen müssen.

Der Investor Fundus baut ein Fachmarktzentrum im Hamburger Stadtteil Bergedorf und plant Renovierungsarbeiten am bestehenden Einkaufszentrum CCB im Umfang von 45 Million Euro. Im Rahmen dieser Maßnahmen ist die Installation einer provisorischen Fußgängerampel zur sicheren Überquerung der viel befahrenen Bundesstraße B5 notwendig.

Die Kosten dieser Ampel werden 62.000€ betragen und beinhalten eine von der Polizei geforderte Absenkung des Bürgersteiges. Diese Absenkung ist zwingend notwendig, damit Bürger mit einem Rollstuhl, Rollator, einer Gehbehinderung oder auch Kinderwagen die Straße sicher überqueren können.

Um Kosten seitens des Investors zu sparen, wird jetzt auf diese Absenkung verzichtet.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Begründung vom zuständigen Ausschussvorsitzenden Werner Omniczynski (SPD).
„Man muss aber sehen, dass es sonst überhaupt keine Ampel geben wird, weil keiner sie bezahlen will. Zudem werde die Ampel wohl von wenigen Rollstuhlfahrern frequentiert, da auch der CCB-Zugang nicht behindertengerecht sei.“

Dass die Umsetzung des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes mit seiner Forderung nach einer barrierefreien Gestaltung von öffentlichen Wegen, Straßen und Verkehrsanlagen noch nicht überall durchgesetzt worden ist hat jeder, der auf eine barrierefreie Gestaltung seiner Umwelt angewiesen ist, immer wieder erfahren müssen.
Neu ist aber, dass in der Begründung für die mangelhafte und rechtswidrige Gestaltung einer baulichen Maßnahme auf andere noch vorhandene Barrieren verwiesen wird.

Es ist deutlich zu sehen, wie die allgegenwärtige alleinige Ausrichtung auf Profit und Gewinnmaximierung von Kommunalpolitikern sehenden Auges gefördert wird.
Werner Omniczynski hat den Zeitgeist getroffen, indem er die ihm anvertrauten Interessen der Bürger bereitwillig dem Kommerz untergeordnet hat.

Leider ist diese Geschichte nicht als bedauerlicher Einzelfall zu sehen. Vielmehr ordnet sie sich in die Vielzahl diskriminierender Entscheidungen zum Nachteil behinderter Menschen ein:

Rollstuhlfahrer werden in der Bahn im Mehrzweckabteil zwischen Fahrrädern und Sperrgepäck befördert.
Eltern, die ihr behindertes Kind in einer allgemeinen Schule lernen lassen möchten, müssen dies oft vor Gericht erkämpfen.
Behinderten Menschen wird der Zugang zu Gaststätten, der Antritt einer Reise oder der Abschluss eines Versicherungsvertrages verweigert.

Behinderte werden von der Politik in menschenverachtender Weise behandelt, wenn sich ihre Bedürfnisse einer Kostenkalkulation unterordnen müssen.

Solange das Allgemeine Gleichstellungsgesetzes nicht konsequent auf lokaler Ebene umgesetzt wird, entpuppt es sich als ein zahnloser Papiertiger.