Dienstag, 11. November 2008

Abyssus abyssum invocat

Ein begangener Fehler rechtfertigt den nächsten. Oder was passiert, wenn sich Bürgerinteressen der Kostenkalkulation unterordnen müssen.

Der Investor Fundus baut ein Fachmarktzentrum im Hamburger Stadtteil Bergedorf und plant Renovierungsarbeiten am bestehenden Einkaufszentrum CCB im Umfang von 45 Million Euro. Im Rahmen dieser Maßnahmen ist die Installation einer provisorischen Fußgängerampel zur sicheren Überquerung der viel befahrenen Bundesstraße B5 notwendig.

Die Kosten dieser Ampel werden 62.000€ betragen und beinhalten eine von der Polizei geforderte Absenkung des Bürgersteiges. Diese Absenkung ist zwingend notwendig, damit Bürger mit einem Rollstuhl, Rollator, einer Gehbehinderung oder auch Kinderwagen die Straße sicher überqueren können.

Um Kosten seitens des Investors zu sparen, wird jetzt auf diese Absenkung verzichtet.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Begründung vom zuständigen Ausschussvorsitzenden Werner Omniczynski (SPD).
„Man muss aber sehen, dass es sonst überhaupt keine Ampel geben wird, weil keiner sie bezahlen will. Zudem werde die Ampel wohl von wenigen Rollstuhlfahrern frequentiert, da auch der CCB-Zugang nicht behindertengerecht sei.“

Dass die Umsetzung des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes mit seiner Forderung nach einer barrierefreien Gestaltung von öffentlichen Wegen, Straßen und Verkehrsanlagen noch nicht überall durchgesetzt worden ist hat jeder, der auf eine barrierefreie Gestaltung seiner Umwelt angewiesen ist, immer wieder erfahren müssen.
Neu ist aber, dass in der Begründung für die mangelhafte und rechtswidrige Gestaltung einer baulichen Maßnahme auf andere noch vorhandene Barrieren verwiesen wird.

Es ist deutlich zu sehen, wie die allgegenwärtige alleinige Ausrichtung auf Profit und Gewinnmaximierung von Kommunalpolitikern sehenden Auges gefördert wird.
Werner Omniczynski hat den Zeitgeist getroffen, indem er die ihm anvertrauten Interessen der Bürger bereitwillig dem Kommerz untergeordnet hat.

Leider ist diese Geschichte nicht als bedauerlicher Einzelfall zu sehen. Vielmehr ordnet sie sich in die Vielzahl diskriminierender Entscheidungen zum Nachteil behinderter Menschen ein:

Rollstuhlfahrer werden in der Bahn im Mehrzweckabteil zwischen Fahrrädern und Sperrgepäck befördert.
Eltern, die ihr behindertes Kind in einer allgemeinen Schule lernen lassen möchten, müssen dies oft vor Gericht erkämpfen.
Behinderten Menschen wird der Zugang zu Gaststätten, der Antritt einer Reise oder der Abschluss eines Versicherungsvertrages verweigert.

Behinderte werden von der Politik in menschenverachtender Weise behandelt, wenn sich ihre Bedürfnisse einer Kostenkalkulation unterordnen müssen.

Solange das Allgemeine Gleichstellungsgesetzes nicht konsequent auf lokaler Ebene umgesetzt wird, entpuppt es sich als ein zahnloser Papiertiger.


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